Unsere RPTU Story

Als Studierende mitten in der Krebsforschung

Einblicke in das Praxis-Forschungsprojekt für den Wettbewerb iGEM geben Studentin Julia Beck und Student Fynn Kirsch.
Seit September 2024 forschen diese Studierenden des Studiengangs Molekulare Biologie an der optimierten Herstellung eines Antikörpers zur Krebsbehandlung.

Wie lässt sich ein vielversprechender Antikörper gegen Krebs effizienter, kostengünstiger und nachhaltiger herstellen? Diese Frage stellen sich 13 Studierende der RPTU – und nehmen mit ihren selbst erarbeiteten Lösungsansätzen am größten internationalen Wettbewerb der synthetischen Biologie teil. Mit dabei sind Julia Beck und Fynn Kirsch, die an der RPTU Molekulare Biologie im Bachelor studieren. Hier berichten die beiden, welche Vorteile es für sie hat, bereits so früh im Studium an einem großen Praxis-Forschungsprojekt mitzuwirken.

„International genetically engineered Machine“, kurz iGEM, ist der größte interdisziplinäre Wettbewerb auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie für Studierende, die dabei – über einen längeren Zeitraum hinweg – an einem realen Problem forschen. Auch die RPTU ist in diesem Jahr wieder vertreten: Mit dem Projekt SUSPACT – „Sustainable Use of Synthetically Produced Antibodies for Cancer Treatment“ – auf Deutsch so viel wie „Nachhaltige Nutzung von synthetisch produzierten Antikörpern für die Krebsbehandlung“.

Der Ansatz des diesjährigen iGEM-Teams: Sie wollen die Herstellung eines Antikörpers, der bereits erfolgreich in der Krebs-Behandlung eingesetzt wird, einfacher, effizienter und ressourcenschonender gestalten. Seit September 2024 widmet sich das 13-köpfige Team dieser Herausforderung.

Zur Ausgangssituation sollte man wissen: Chemotherapie und Bestrahlung sind bekannte Behandlungsmethoden bei Krebserkrankungen. In den vergangenen Jahren haben sich darüber hinaus antikörperbasierte Therapie-Ansätze etabliert: „Hochspezialisierte Proteine greifen dabei gezielt Krebszellen an, ohne gesundes Gewebe unnötig zu schädigen“, wie iGEM-Team-Mitglied Julia Beck erklärt, die im sechsten Semester Molekulare Biologie studiert. „Ein vielversprechender Antikörper ist dabei Cetuximab, der unter anderem bei Darm- und Halskrebs eingesetzt wird“, ergänzt Kommilitone und ebenfalls iGEM-Team-Mitglied Fynn Kirsch. 

Cetuximab ist gegen ein Protein gerichtet, das in den Membranen von menschlichen Körperzellen zu finden ist, der sogenannte EGFR-Rezeptor. EGFR steht für „epidermal growth factor receptor“, auf Deutsch: Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor. Dieser empfängt chemische Signale, sogenannte Wachstumsfaktoren, die den Zellstoffwechsel anregen. Krebszellen haben oftmals sehr viele EGFR-Moleküle in ihren Zellmembranen. Cetuximab bindet nun an diese Rezeptoren, was zur Folge hat, dass sich die Ausbreitung von Krebszellen in weitere Körperregionen vermindert – und mutmaßlich auch das Tumorwachstum generell gehemmt wird. 

DNA-Konstrukt in Grünalge eingebracht

Klingt gut – doch die Sache hat einen Haken: Antikörper sind eine der effektivsten, aber auch der teuersten Methoden der Krebsbehandlung. Derzeit kostet der Ansatz noch mindestens 10.000 US-Dollar pro Therapie, weil Antikörper unter anderem sehr aufwendig in Säugetierzellen produziert werden müssen – was insgesamt sehr ressourcenintensiv ist. Genau das will das iGEM-Team ändern: Sie nutzen eine gentechnische Methode, die sich Modular Cloning nennt. Vereinfacht gesagt, werden dabei einzelne DNA-Komponenten zu größeren Einheiten zusammengesetzt. Ein so erstelltes DNA-Konstrukt wird anschließend in das Genom, also das Erbgut, eines lebenden Organismus eingebracht. Das iGEM-Team arbeitet mit der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Julia Beck konkretisiert: „In unserem Fall fügen wir die Gene für den Cetuximab-Antikörper in die Grünalge ein.“ Der gewünschte Effekt: Die Grünalge produziert darauf hin den Antikörper – und das wesentlich günstiger und unkomplizierter als dies mit herkömmlichen Methoden möglich ist. Etwa zwei bis drei Monate habe es gedauert, bis sie genau das im Labor tatsächlich erstmals hinbekommen haben, berichten Julia Beck und Fynn Kirsch stolz.

Das iGEM-Team musste sich dafür in die unterschiedlichen molekularbiologischen Methoden einarbeiten – will zudem herausfinden, wie sich der Antikörper besonders effizient herstellen lässt: „Wir haben zwei Stämme angesetzt“, schildert Fynn Kirsch. „Die einen haben den Antikörper in der Zelle behalten, die anderen haben ihn auch in der Zelle produziert, aber danach sekretiert, also `ausgeschüttet`.“ Auf diese Weise wollte das Nachwuchs-Forschungsteam herausfinden, ob bei beiden Ansätzen gleich viel Antikörper „herauskommt“. Tatsächlich habe es bei dem Stamm, der sekretiert, auch sehr gut geklappt, führt Fynn Kirsch weiter aus: „Was von Vorteil ist. Da wir, wenn das Protein sekretiert wird, die Zellen nicht zerstören müssen, um an den Antikörper zu kommen.“ Später soll der Antikörper idealerweise im industriellen Maßstab hergestellt werden. Deshalb tüfteln sie derzeit zudem an der Frage, wie sich mit ihrer Herangehensweise auch große Volumina produzieren lassen.

„Wir haben gelernt als Team zu funktionieren“

„Wir haben alle schon Laborpraktika im Studium absolviert“, ergänzt Fynn Kirsch. „Aber dieses Mal erarbeiten wir von Grund auf alles selbst.“ Julia Beck erinnert sich, dass sie zu Beginn noch etwas ehrfürchtig an der Laborbank stand: „Ich dachte mir, bloß nichts falsch machen.“ Aber mittlerweile gehe sie sehr selbstständig an die Sache heran. „Wir haben gelernt, als Team zu funktionieren“, ergänzt Fynn Kirsch: „Mit der Zeit bekommt man ja auch ein Auge fürs Detail. Also, worauf muss man beim Versuchsaufbau achten. Und auch, wie könnte man die Ergebnisse später veröffentlichen.“

Neben der Laborarbeit kümmert sich das Team um die Außendarstellung des Projekts. Durch Öffentlichkeitsarbeit soll bei iGEM die Synthetische Biologie der Allgemeinheit zugänglicher gemacht werden. So werden die Ergebnisse und Erfahrungen auf einem selbst programmierten Wiki (Website) veröffentlicht. Julia Beck: „Wir stehen beispielsweise auch mit Firmen in Kontakt für das Sponsoring.“ Einen Teil des Labor-Equipments wollen sie auf diese Weise finanzieren. 

iGEM ist für fast ein Jahr ein Vollzeit-Job: Von 10 bis 17 Uhr arbeitet das studentische Team im Labor. Manchmal müssen sie sogar am Wochenende ran – um einen Versuchsaufbau zu kontrollieren oder um das eine oder andere vorzubereiten. „Einige aus unserem Team studieren extra ein Jahr länger, um Zeit für iGEM zu haben“, erzählt Fynn Kirsch. Doch all das sehen die Studierenden als Vorteil für Ihren weiteren Werdegang: Die Sicherheit, mit der sie mittlerweile im Labor stehen, werden sie sehr gut auch für ihre Bachelorarbeit gebrauchen können – die thematisch ein Anschluss-Projekt ihres iGEM-Projekts sein könnte. 

Kostengünstig Antikörper für Krebsbehandlung herstellen

Fachlich betreut werden sie von Professor Michael Schroda, der die Fachgebiete Biotechnologie und Systembiologie an der RPTU leitet. „Alle zwei Wochen haben wir ein Meeting mit ihm.“ Auch von den Doktorandinnen und Doktoranden und den Masterstudierenden der Abteilung werden sie sehr gut unterstützt, schildert Fynn Kirsch.

Im nächsten Schritt will das iGEM-Team – in Zusammenarbeit mit der Toxikologie – herausfinden, ob der von ihnen produzierte Antikörper auch tatsächlich in der Lage ist, den EGFR-Rezeptor zu binden. Dies werde demnächst an Krebszellen getestet. Wie genau – das arbeitet das iGEM-Team derzeit noch aus. 

Das Besondere an ihrer Arbeit sei ja auch, so betonen beide, dass man auf diese Weise – also mit ihrem Grünalgen-Ansatz – theoretisch auch andere Antikörper, vielleicht sogar weitere Medikamente herstellen könnte. „Wir haben uns zunächst nur mit Cetuximab beschäftigt. Der Ansatz ließe sich aber auch auf andere Fragestellungen übertragen“, sagt Julia Beck.

Finale im Oktober 2025

Dass die Studierenden bereits früh im Studium so selbstständig an einem eigenen Forschungsprojekt arbeiten, ist Teil des Angebots einer praxisnahen Ausbildung am Fachbereich Biologie der RPTU. Die Studierenden sollen theoretisches Wissen fachwissenschaftlich in der Praxis anwenden. Julia Beck und Fynn Kirsch schätzen es sehr, dass sie die Möglichkeit dazu haben. Überhaupt gefalle ihnen das Studium an der RPTU sehr gut. Julia Beck: „Man merkt, dass die Professorinnen und Professoren sehr darauf bedacht sind, wie es uns als Studierenden geht.“ 

Das große Finale des iGEM Wettbewerbs wird im Oktober 2025 in Paris stattfinden. Bei diesem „Giant Jamboree“ präsentieren die Teams ihre Projekte vor einer Jury und den weiteren Teams. Anschießend werden Medaillen für verschiedene Kategorien verliehen. Julia Beck, Fynn Kirsch und das ganze iGEM-Team sehen sich bestens gerüstet. Und an der RPTU sind alle Daumen gedrückt.

Einblicke in das Praxis-Forschungsprojekt für den Wettbewerb iGEM geben Studentin Julia Beck und Student Fynn Kirsch.
Seit September 2024 forschen diese Studierenden des Studiengangs Molekulare Biologie an der optimierten Herstellung eines Antikörpers zur Krebsbehandlung.